Der Hessischer Fußball-Verband e.V. hat beim virtuellen Verbandstag die Spielzeit 2019/20 beendet und die Weichen für die kommend
Ab wann der Fußball wieder rollt, dazu mag keiner eine Prognose abgeben.
Bericht aus Mittelhessen.de Sportredaktion
Grünberg. Nein, Erleichterung war der Mimik von Stefan Reuß nach dem „historischen und außergewöhnlichen“ Verbandstag nicht anzusehen. Die vergangenen 13 Wochen haben Spuren hinterlassen, nicht nur bei Hessens Fußballern, sondern auch deren Chef und seinen Mitarbeitern. „Alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter sind in den vergangenen Wochen an ihre Grenzen gegangen“, betonte der Präsident des Hessischen Fußball-Verbands. Auch vor dem Hintergrund, dass nach der pandemiebedingten Saisonunterbrechung am 12. März einige Mails ins HFV-Postfach geflattert seien, die von Ungeduld zeugten und „die wir manchmal lieber hätten nicht lesen sollen. Umgang und Stil waren nicht immer treffend und hilfreich. Solidarität statt Egoismus ist gefragt.“ Man müsse, so Reus, Ehrenamt zugestehen, dass man sich externe rechtliche Hilfe holt und dafür Zeit benötigt. Alle Entscheidungen seien im besten Wissen und Gewissen getroffen worden.
Ob die Fußballszene langsam der Diskussionen um den Abbruch der Spielzeit 2019/2020 überdrüssig war und Müdigkeit ob des kräftezehrenden Kampfes durch Satzungen und Paragraphen bei den Vereinen zuletzt Einzug hielt, sei dahingestellt: Am Samstag jedenfalls ging der Verbandstag gar nicht so lange wie erwartet – der HFV hatte die Pressekonferenz im Anschluss zunächst auf 14 Uhr terminiert – und die diversen Abstimmungen sehr schnell über die Bühne. Auch weil Reuß und seine Mitstreiter Torsten Becker (HFV-Vizepräsident), Verbands-Schatzmeister Ralf Viktora und Moderator Andreas Kattenberg ruhig und klar durch die Veranstaltung führten und die Technik beim ersten virtuellen Verbandstag in der Geschichte einwandfrei funktionierte.
Eine Minute hatten die Delegierten mithilfe eines digitalen Abstimmungstools Zeit, um über die jeweiligen Anträge und Änderungen abzustimmen, spätestens zehn Sekunden danach lag das Ergebnis vor. Die Delegierten skizzierten ein doch ziemlich homogenes Meinungsbild; auch im Juniorenbereich, wo diverse Funktionäre aus den Kreisen in Bild und Ton zugeschaltet wurden und eine Debatte entflammte, ob nun wirkliche alle Meister aufsteigen dürfen oder eben nicht. Die Vereine stimmten entgegen der Empfehlung des HFV dafür (siehe Infokasten). Wie auch bei der Diskussion um den Aufstieg der quotientenbesten Relegations- und Aufstiegsrundenteilnehmer im Herrenbereich, gab sich der Verband flexibel: „Das mit dem Änderungsantrag war völlig okay. Das wird schon alles zu bewerkstelligen sein“, meinte Reuß nachher zum Thema Junioren. Gleichwohl der Präsident wusste, dass mit den Entscheidungen weiterhin nicht alle glücklich sein würden. „Aber wäre das auf sportlichem Wege anders?“, fragte der Witzenhäuser rhetorisch in die (virtuelle) Runde.
DER VERBANDSTAG IN ZAHLEN
14 Telefon- und Videokonferenzen des Präsidiums, 4 Videokonferenzen des Verbandsvorstandes und 30 Videokonferenzen in den Kreisen wurden geführt, um Entscheidungen und Meinungsbilder in Hinblick auf den Verbandstag zusammenzutragen.
Von 345 stimmberechtigten Delegierten aus den Kreisen waren 287 beim virtuellen Verbandstag dabei, das entspricht einer Teilnahmequote von 83,2 Prozent. Dazu gesellten sich rund 70 Stammdelegierte.
95,2 Prozent der Delegierten sprachen sich für einen Abbruch der Saison 2019/2020 aus.
58,9 Prozent der Delegierten stimmten für eine Abschlusstabelle nach Quotientenregel, direkte Aufsteiger, keine Absteiger und Aufsteiger aus Relegations- und Aufstiegsrunden nach Anwendung der Quotientenregel bei Frauen und Herren. Die einfache Mehrheit reichte.
65,3 Prozent der Delegierten stimmten für eine Abschlusstabelle nach Quotientenregel, direkte Aufsteiger, keine Absteiger und Aufstieg aller Meister und zur Teilnahme an Aufstiegsspielen berechtigter Mannschaften bei den Junioren.
84,4 Prozent der Delegierten stimmten für eine Fortsetzung der Pokalspielwettbewerbe im Herren-, Frauen- und Ü-Bereich.
84,7 Prozent der Delegierten stimmten für eine Beendigung der Pokalspielwettbewerbe im Juniorinnen- und Juniorenbereich.
Nach exakt 2 Stunden war der erste virtuelle Verbandstag in der Historie des HFV beendet.
Die unvollendete Spielzeit 2019/2020 ist zu den Akten gelegt. Von einem tiefen Durchatmen ist man, nicht nur in Verbandskreisen, aber weit entfernt: Zu hoch türmt sich der Berg an Fragen hinsichtlich der kommenden Saison. Die Sommerwechselperiode, die sich an Fifa- und DFB-Statuten anlehnt, mit dem 30. Juni als finalem Tag, wird nach den jetzt erfolgten Beschlüssen bestehen bleiben. Ansonsten herrscht in vielerlei Hinsicht Ungewissheit.
„Ich habe mir abgewöhnt, Prognosen zu stellen“, will sich Reuß in puncto Beginn der neuen Runde nicht festlegen. Viele Freunde des hessischen Fußballs liebäugeln mit einem Start Mitte September. Nicht nur der jüngst aufkeimende Virusherd in der Fleischfabrik in Gütersloh hat jedoch dafür sensibilisiert, dass Lockerungen mit ganz viel Bedacht anzugehen sind. Was die bis 16. August datierte Verordnung im Bereich der Großveranstaltungen betrifft – bis zu 250 Personen dürfen ohne Genehmigung zusammenkommen – bleibt daher abzuwarten, ob auf diesem Weg Spiele durchzuführen sind. Zumal der organisatorische Aufwand für die Vereine enorm ist. Stand heute dürfen überdies nur zehn Menschen aus einer Gruppe Kontaktsport betreiben – mindestens zwölf zu wenig für ein Fußballspiel.
Am Verband ist es nun, Szenarien für die abermals außergewöhnliche Spielrunde 20/21 zu erstellen, auch vor dem Hintergrund, dass der Spielplan in gerade von der Hessenliga bis zur Gruppenliga aufgeblähten Spielklassen in einem wesentlich kürzeren Zeitraum abgewickelt werden muss. Eine Herkulesaufgabe ohne Schablone.